Was olympische Spiele für die Griechen waren, sind die Highland Games für die Schotten. Nur mit deutlich mehr Haaren, mehr Rauch und mehr Baumstämmen. Ihre Ursprünge reichen zurück bis ins 11. Jahrhundert, als König Malcolm III. die schnellsten und stärksten Männer seines Clans suchte. Nicht für Medaillen, sondern fürs Überleben: Botenläufer, Krieger, Leibwächter. Statt Hochsprung gab‘s damals den Felswurf. Statt Siegerkranz: einen warmen Haggis und einen Platz am Feuer.
Über Jahrhunderte entwickelten sich die Highland Games zu einer Mischung aus Volksfest, Clantreffen und sportlicher Machtdemonstration. Heute sind sie fester Bestandteil der schottischen Kultur, mit über 60 offiziellen Veranstaltungen im Sommer, meist zwischen Juni und September. Die bekanntesten Spiele finden in Braemar, Oban, Ballater oder Inveraray statt. Wer nach Echtheit sucht, ist in ersterem genau richtig: Dort jubeln jedes Jahr sogar die Royals mit, wenn der Caber fliegt.
Auch außerhalb Schottlands hat man den Charme der stämmigen Spiele entdeckt. In Deutschland finden Highland Games in Orten wie Peine, Angelbachtal oder Trebsen an der Mulde statt, meist als Mischung aus Wettbewerb und Festival, mit Pipe-Band, Guinness und Haggis für Anfänger. Wer das Original sucht, fährt trotzdem besser an die Westküste Schottlands. Dort riecht es nicht nur nach Torf. Sondern auch nach Geschichte.
Die Disziplinen der Ehre
Da wäre etwa das Caber Toss, bei dem ein massiver Baumstamm senkrecht in die Luft katapultiert wird, mit dem Ziel, dass er sich einmal um sich selbst dreht und in gerader Linie zu Boden fällt. Klingt einfach. Ist aber ein Tanz mit der Physik. Und mit dem eigenen Gleichgewicht.
Daneben gibt‘s Steinstoßen (quasi Kugelstoßen mit Naturmaterialien), Hammerwurf, Strohsack-Hochwurf über eine Stange, alles mit Gerätschaften, die aussehen wie Erbstücke aus einem Schmiededorf um 1780. Weniger Netflix, mehr Muskelschmalz.
Royals, Röcke, Rituale
In Braemar, gleich neben dem königlichen Sommersitz Balmoral, sitzen Charles und Co. regelmäßig auf Klappstühlen und klatschen höflich, wenn wieder jemand mit bloßen Händen einen Telefonmast umdreht. Die Highland Games sind nicht nur ein Spektakel. Sie sind gelebte Geschichte, sichtbarer Stolz und Traditionspflege mit ordentlich Schmackes.
Der Kilt ist dabei keine Verkleidung. Er ist Uniform. Und wird von allen getragen: Wettkämpfern, Zuschauern, Kommentatoren, Hunden. Wer dazugehören will, sollte wenigstens kariert denken.
Was zieht man an, wenn man kein Clan-Chef ist?
Wetterfest sollte es sein. Und warm. Ideal: Wachsjacke, Cordhose, Wollsocken, dazu Chelsea Boots mit Profil und ein klassischer Schal in Tartan-Muster. Für Damen geht auch ein Tweedrock mit Lammwollpulli, Regenhut oder eine Beanie aus Fair-Isle-Strick. Wichtig: Lieber britisches Understatement als Festival-Glitzer. Die Highland Games leben vom Respekt, nicht vom Selfie.
Was die Highland Games von modernen Sportevents unterscheidet, ist nicht nur die Geräuschkulisse aus Dudelsack, Trommel und Kampfgebrüll. Es ist der Geist. Hier geht es nicht nur um Kraft, sondern um Zusammenhalt, Herkunft und Stolz. Ein Ort, an dem Clanfarben wehen, Geschichten erzählt und Wurzeln gepflegt werden, zwischen Torffeuer, Pipe-Band und dem Geruch von nassem Schaf.
Wer einmal gesehen hat, wie ein Mann im Kilt bei Regen einen Baumstamm durch die Luft schleudert, versteht: Schottland ist nicht nur ein Land. Schottland ist ein Charakter.
Tipp:
Die Braemar Gathering Anfang September ist das bekannteste Event, königlicher geht’s nicht. Ebenfalls großartig: die Spiele in Inveraray, Dornoch oder Aberfeldy. In Deutschland lohnt ein Blick nach Angelbachtal (Baden-Württemberg) oder Peine (Niedersachsen) – rustikal, familiär, mit viel Herz für das schottische Lebensgefühl. Und mit mindestens einem Mann, der „Outlander“ gesehen hat und jetzt Baumstämme werfen will.
Alle Termine für Highlandgames finden Sie auch in unserer Übersicht über britische Highlights in Deutschland - hier klicken!
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