Es gibt Veranstaltungen, die sind so britisch, dass man sie eigentlich nur mit einer dampfenden Tasse Tee, einem Pferdewetteinsatz und einem Hut mit fragwürdigem Design erleben kann. Das Cheltenham Festival, das jedes Jahr im März in der Grafschaft Gloucestershire stattfindet, ist genau so ein Spektakel. Vier Tage lang versammeln sich dort die besten Rennpferde, die erfolgreichsten Jockeys, die feierfreudigsten Iren und eine Armada an Buchmachern, die einem mehr oder weniger freundschaftlich das Geld aus der Tasche ziehen.
Von wegen, hier geht es nur um Pferde!
Doch Cheltenham ist mehr als nur ein Pferderennen. Es ist eine Mischung aus Sport, Society-Event und einer inoffiziellen Modewoche für Menschen, die Tweed für eine zweite Haut halten. Nirgendwo sonst sieht man so viele Leute mit Hebriden-wetterfesten Wachsmänteln, während sie mit fiebrigem Blick auf den nächsten Favoriten setzen. Das Festival ist ein Fest für die Sinne – und für alle, die in der Lage sind, zwischen einem guten und einem hoffnungslos überbewerteten Wett-Tipp zu unterscheiden.
Der Startschuss fällt am Champion Day, wo sich bereits entscheidet, wer mit breiter Brust den Rest des Festivals genießen kann – und wer sich frühzeitig mit einem Pint Guinness trösten muss. Aber das wahre Highlight ist natürlich der Gold Cup Day, das Finale am Freitag, das in der Welt des Springrennens ungefähr den Status eines Wimbledon-Finales hat, nur mit mehr Schlamm und ohne Erdbeeren mit Sahne. Hier treten die besten Pferde an, um eine der prestigeträchtigsten Trophäen des Rennsports zu gewinnen.
Der Top-Favorit für den Gold Cup 2025
Ein Name, der dabei in aller Munde ist: Galopin Des Champs. Das Pferd hat bereits die letzten zwei Gold Cups gewonnen und könnte sich in diesem Jahr mit einem dritten Sieg in die Geschichtsbücher eintragen. Ein Pferd mit einer Erfolgsbilanz, die sogar die diszipliniertesten Wettverweigerer ins Grübeln bringt. Sein Trainer, die irische Rennsportlegende Willie Mullins, hat ohnehin den Ruf, Cheltenham jedes Jahr als persönliche Machtdemonstration zu nutzen. Sollte sein Schützling erneut siegen, wird er wohl spätestens dann zum Pferd, das selbst Queen Camilla mal streicheln möchte.
Doch nicht nur auf der Rennbahn wird über Helden und Comebacks gesprochen. Auch im Jockey-Sattel gibt es eine Geschichte, die sich wie ein Sportdrama aus Hollywood liest. Jack Kennedy, ein Name, den Rennsportfans mit mindestens ebenso vielen Siegen wie Knochenbrüchen verbinden, plant seine Rückkehr. Der talentierte Jockey hat sich im November – zum bereits sechsten Mal – das Bein gebrochen, was ihn aber nicht davon abhält, sich wieder in den Sattel zu schwingen. Sollte er tatsächlich fit genug sein, um mit seinem potenziellen Partner Teahupoo das Stayers’ Hurdle zu gewinnen, dürfte sich das Festival in eine irische Party verwandeln, gegen die der St. Patrick’s Day blass aussieht.
Der Einfluss der Iren
Apropos St. Patrick’s Day: Der Donnerstag von Cheltenham ist traditionell den Iren gewidmet, und das merkt man spätestens dann, wenn die Guinness-Vorräte im Minutentakt schrumpfen und die Buchmacher reihenweise gegen die siegreichen Pferde aus Irland verlieren. Der irische Einfluss ist ohnehin unübersehbar – schließlich sind viele der besten Pferde und Trainer von der grünen Insel. Wer sich also an diesem Tag zu einer Wette hinreißen lässt, ist gut beraten, sich an die Namen zu halten, die sich nach einem alten irischen Volkslied oder einem Pub aus Galway anhören.
Tweed, Wetten und britischer Wahnsinn – Cheltenham in seiner schönsten Form
Doch Cheltenham wäre nicht Cheltenham ohne den besonderen Dresscode. Während in Ascot Hüte mit eigenem Flugrisiko dominieren, setzt man hier auf wetterfeste Eleganz. Tweed, Wachsmäntel und robuste, aber stilvolle Stiefel sind Pflicht – schließlich möchte man nicht nur gut aussehen, sondern auch halbwegs unfallfrei durch den matschigen Boden navigieren. Wer perfektionistisch veranlagt ist, investiert in edle Lederhandschuhe, denn die Hände eines Rennbesuchers halten entweder einen Wettschein oder ein Glas Champagner.
Was die Wetten angeht, trifft Statistik auf Bauchgefühl, und nicht selten gewinnt das Bauchgefühl. Manche tippen akribisch auf Formkurven und Streckenrekorde, andere lassen sich von der Haarfarbe des Jockeys oder einem besonders sympathischen Pferdenamen leiten. „Fast and Furious“ klingt nach einem sicheren Tipp? Wahrscheinlich beendet er das Rennen, wenn die anderen bereits in der Siegerehrung stehen. „Mister Muddy“ könnte ironischerweise nur auf trockenem Boden brillieren. Es ist ein Spiel aus Logik, irischem Irrsinn und britischem Humor – genau das, was dieses Festival so einzigartig macht.
Leserbriefe (0)
Keine Leserbriefe gefunden!