Die Auflagen sinken, in der legendären Londoner Fleet Street sind heute keine Zeitungshäuser mehr, sondern Anwaltskanzleien. Trotzdem haben die großen britischen Zeitungen bei der Meinungsbildung noch ein Wörtchen mitzureden. Fast alle schauen auf eine lange Tradition zurück, teilweise bis ins 18. Jahrhundert. Bis auf „The Independent", der nur noch online erscheint, haben alle Zeitungen nach wie vor Printausgaben und viele dazu eine Sonntagsausgabe mit eigener Redaktion.
Hier eine kleine Orientierungshilfe im Blätterwald für alle, die bei Reisen nicht ratlos vor dem Kiosk stehen oder aber online lesen wollen:
Die überregionalen Zeitungen,
... nach dem traditionellen Format „Broadsheets“ genannt, haben neben den klassischen Ressorts wie Politik, Wirtschaft, Sport und Feuilleton auch Rubriken wie Lifestyle und Reisen, aber wenig Promiklatsch.
- „The Times" ist die ehrwürdige alte Dame unter den Zeitungen. 1785 gegründet, konservativ, hoch angesehen. Obwohl sie seit 1981 zu Rupert Murdochs Imperium gehört, was damals einen Riesenwirbel auslöste, hat der Ruf kaum gelitten. Die Sonntagsausgabe „Sunday Times“ erschien erstmals 1821 und erreicht fast die doppelte Auflage des Originals.
www.thetimes.co.uk - „The Daily Telegraph“, meist nur „The Telegraph“ genannt, besteht seit 1855. Konservativ mit breitem Themenspektrum.
www.telegraph.co.uk - „The Guardian“, eher links und politisch korrekt. Die Auflage ist klein, aber die Zeitung gilt mit „Times“ und „Telegraph“ als prägend – gemeinsam bilden sie die „Big Three“ der britischen Medienlandschaft. Da er von einer Stiftung getragen wird, kann sich der „Guardian“ einen Online-Auftritt ohne Paywall leisten. Es gibt auch eine internationale Ausgabe.
www.theguardian.com - „The Observer“ gehört heute zum „Guardian“, bedient dieselbe Zielgruppe und erscheint nur noch sonntags.
www.theguardian.com/observer
Die Zeitungen der Boulevardpresse
... heißen – ebenfalls nach dem Druckformat – „Tabloids“. Sie sind nicht zimperlich, um es vorsichtig auszudrücken – auch was das Nennen voller Namen oder die Suche nach Schuldigen betrifft, egal, worum es geht.
- „Daily Mail“: bringt reichlich Klatsch und Tratsch und bezieht bei politischen Themen deutlich Stellung in Richtung rechts, spricht aber ein bürgerliches Publikum an. Diese Zeitung hatte als erste in Großbritannien einen Teil extra für Leserinnen, den es noch heute gibt („Femail“).
www.dailymail.co.uk - „The Sun“: Revolverblatt mit fußhohen Schlagzeilen, hämisch, aber kreativ im Umgang mit Wortspielen. Viel Klatsch, viel stellvertretende Entrüstung, sieht sich als „Volkes Stimme“. Die „Sun“ ist tatsächlich das auflagenstärkste Blatt im Vereinigten Königreich.
www.thesun.co.uk - „Daily Express“: Vom Konzept her ähnlich wie die Sun, aber kleiner. Jagt gern hinter den Royals her, meist in negativem Kontext, und hat einen Hang zu Sensationsgeschichten und unvorteilhaften Porträts prominenter Menschen.
www.express.co.uk - „Daily Mirror“: Politik, vereinfacht dargestellt, dazu reichlich Showbiz und Co. Der Mirror unterstützt eher die Labour-Partei, was unter den Boulevardblättern die Ausnahme ist.
www.mirror.co.uk - „Daily Star“: Wer gar nichts über Politik wissen möchte, sich aber für Soapstars und übernatürliche Erscheinungen sowie Models mit wenig Kleidung interessiert, ist hier genau richtig.
www.dailystar.co.uk
Die Kostenlosen
- Der „Evening Standard“ erscheint, wie der Name schon sagt, abends und war bis 2009 eine Kauf- und Abozeitung. Dank der Verteilung in London und den Außenbezirken ist die Auflage hoch. Stark in lokalen Themen.
www.standard.co.uk - „Metro“: Boulevardstil mit Mord und Totschlag, viel Sport, manchem Skandal und kaum Politik.
https://metro.co.uk - „The Independent“ erscheint seit 2016 nur noch online und bietet eine vielfältige Mischung aus Themen; politisch eher liberal. Das Grundangebot ist kostenlos, man kann aber eine Premium-Variante abonnieren. Die Redaktion ist innovativ und probiert immer neue Konzepte, um gegen die große Konkurrenz anzukommen.
www.independent.co.uk
Die Regionalen und Lokalen
Großbritannien hat noch immer eine große Zahl von Lokalzeitungen – vom „Abingdon Herald“ bis zur „York Press“. Die Lage ist aber nicht rosig, denn diese Blätter stehen vor der Herausforderung, mit immer weniger Leuten attraktive Blätter zu gestalten, die gegen die Konkurrenz aus den Sozialen Medien eine Chance haben. Inzwischen gibt es „weiße Flecken“ auf der Landkarte, aus denen sich der Profijournalismus verabschiedet hat.
Leserbriefe (4)
Eva-Maria Weidl
am 19.08.2022Andrea Stock
am 19.08.2022Hanne Heimpold
am 26.08.2022fand ich sehr informativ. Habe ich mir gleich als Screenshot abgespeichert. Ich verfolge vor allem das politische Gesehen im UK regelmäßig über eine App einer dieser Zeitungen.
Jan
am 11.10.2022