Weihnachtszeit, Mogelzeit. Wie bitte? Ja, wirklich – in Großbritannien gibt es zahlreiche Publikationen zum Thema „cheating at Christmas“. Dabei geht es nicht um wirklichen Betrug, sondern darum, sich den Aufwand für das Festessen etwas zu erleichtern, ohne dass es einer merkt. Denn selbst sehr erfahrene Hausfrauen und Hausmänner werden leicht nervös, wenn es um „turkey and all the trimmings“ geht, das traditionelle Weihnachtsmenü. Denn da ist soooo viel gleichzeitig zu beachten und zu tun.
Wie also mogeln? In den meisten Familien ist die Speisenfolge in Stein gemeißelt und darf nicht verändert werden, ohne dass es zu Protesten kommt – nur für die Vegetarier gibt es Zusatzangebote, was aber nicht weniger, sondern mehr Arbeit bedeutet. „Christmas Dinner“ besteht meist aus einer Vorspeise mit Lachs, dann dem Truthahn, Röstkartoffeln, Wurzelgemüse diverser Art (Möhren, Pastinaken …), Rosenkohl, manchmal auch noch Rotkohl, „pigs in blankets“ (Würstchen, in Speck gewickelt und gebraten), Füllmasse, die im Truthahn oder separat gebacken wird oder auch beides, Bratensauce, Cranberrysauce, „bread sauce“ aus Weißbrot und Milch. Wer kein Fleisch isst, hat Anspruch auf einen leckeren Auflauf oder etwas Ähnliches. Hinterher Christmas Pudding mit Brandy Butter, ein schön geschichtetes und dekoriertes Trifle, Christmas Cake mit Zuckerguss und das eine oder andere Mince Pie. Uff! Dies alles zeitgerecht auf den Tisch zu kriegen, ist schon eine Herausforderung (ebenso, alles zu essen!).
Gemogelt wird daher, folgt man den Empfehlungen, mit Fertigprodukten, die in Großbritannien in den Supermärkten in Riesenauswahl angeboten werden. Den Christmas Pudding macht heute sowieso kaum noch jemand selbst, da er in bester Qualität angeboten wird, auch der Kuchen wird fertig gekauft und vielleicht noch eigenhändig dekoriert. „Stuffing“, also Füllung, sowie fertige Bratensauce gibt es beim Metzger, Cranberrysauce und Brandy Butter schmecken aus dem Glas kaum anders als selbst geköchelt bzw. gerührt. Manche Leute kaufen auch tiefgefrorene Röstkartoffeln, wovon wir aber abraten möchten, weil sie niemals so gut schmecken wie das Original. Besser schält man sie am Vortag, ebenso das Gemüse, und legt sie in den Kühlschrank. Rosenkohl gibt es geputzt zu kaufen, jedenfalls in Großbritannien. Dazu passen vorgegarte Kastanien.
Was die Desserts angeht, ist die Auswahl geradezu frappierend und umfasst alles von traditionellem Trifle über den Schoko-Baumstamm und Käsekuchen mit Cranberry-Topping. Jedes Jahr lassen sich die Lebensmittel-Hersteller etwas Neues einfallen, und oft sieht es wirklich hausgemacht aus.
Ein selbst gekochtes Festmenü ist natürlich trotzdem unerreicht. Aber es soll halt mit Liebe und Freude hergestellt sein und nicht unter Flüchen und mit zusammengebissenen Zähnen, denn den Stress schmeckt man mit. Ehrlich! Deshalb: Mogeln ist erlaubt. Nur die Packungen rumliegen zu lassen, wo die Gäste sie sehen können – das geht überhaupt nicht.
Leserbriefe (1)
Bärbel Kempinger
am 24.12.2016