Der britische Sommer ist kein Zustand. Er ist ein Charakterzug. Einer, der nie ganz zuverlässig ist, gern mal schwankt zwischen himmelhoch jauchzend und Nieselregen, und trotzdem die Leute in Massen an die Küste treibt. Brighton, Cornwall, Bournemouth, Eastbourne, Whitby. Und natürlich Rhossili Bay in Wales. Wo der Engländer badet, ist weniger die Frage. Sondern: Wie er es tut.
Denn die Britin an sich lässt sich vom Wetter nichts diktieren. Schon gar nicht ihren Look. Und so trifft man an britischen Stränden ein ganz eigenes Modevolk: die British Beach Chicks. Eine Spezies zwischen Jane Austen, Glastonbury und Vogue.
Das Standard-Outfit: das Tea Dress.
Also ein leichtes Sommerkleid mit Blümchen, Schleifchen oder gepunktetem Muster, das in Deutschland schnell nach Landlust oder “Sommer auf dem Biohof” aussehen würde. In England aber geht es durch. Und zwar mit Stil. Dazu ein Denim-Jäckchen über der Schulter, ein Strohhut, der leicht schief sitzt, und – natürlich – ein paar knallige Wellyboots, falls das Wetter sich überlegt, den Strand in einen Sumpf zu verwandeln.
Was man als deutsche Urlauberin lernen kann: Die Britin stylt den Bruch. Und das mit bewundernswerter Konsequenz. Gummistiefel zum Rüschenkleid? Logisch. Regenjacke mit Leo-Futter? Ja, bitte. Selbst die Strandtasche hat Charakter. Geflochten, ein bisschen durchgenudelt, aber stets gefüllt mit: Sonnencreme LSF 50, einem Groschenroman, einem Thermobecher mit Earl Grey und einem Tüchlein für den dramatischen Wind.
Accessoires? Zwischen Primark und Mulberry ist alles erlaubt
Beliebt: große Sonnenbrillen im Retro-Stil, oft leicht beschlagen. Dazu ein Lipgloss in “Coral Crush” und Haargummis am Handgelenk. Die Haare selbst? Entweder zu einem chaotischen Dutt verdreht oder vom Wind zu Kunstwerken zerzaust. Nichts davon ist Instagram-perfekt. Alles davon ist herrlich charmant.
Britische Beach Boys erkennt man an pastellfarbenen Shorts, bleichen Waden und der Selbstverständlichkeit, mit Socken in Sandalen herumzulaufen, als gäbe es keine Kontinentalgrenze zur Stilkritik. Modisch gesehen ist das mutig. In Kombination mit einem alten Rugbyshirt und einem Pint im Plastikbecher wird daraus fast so etwas wie ein Signature Look.
Die gute Nachricht: Man kann diesen Look auch in Deutschland tragen. Man muss nur die Ironie mitbringen. Wer sich traut, ein geblümtes Midikleid mit Gummistiefeln und Sonnenbrille zu kombinieren, dem öffnet sich eine ganze Welt an Möglichkeiten. Im Supermarkt. Auf der Gartenparty. Oder einfach beim Spaziergang am Baggersee.
Designer wie Cath Kidston, Boden oder Barbour liefern die passende Garderobe. Wer's luxuriöser mag, greift zu den Heritage-Linien von Burberry oder Hunter. Und wer gar nichts findet, nimmt einfach das alte Kleid von Oma, zieht eine Regenjacke drüber, steckt einen Schal in die Tasche und wartet, bis es regnet. Denn das ist der Trick der British Beach Chicks: Sie kleiden sich nicht trotz des Wetters, sondern wegen des Wetters schön.
Und genau deshalb sehen sie aus, wie sie sich fühlen: frei, ein bisschen wild, und als gehörten ihnen die Klippen. So viel Stil auf so wenig Sonne schafft sonst nur das Empire.
Leserbriefe (1)
Angela Bartsch
vor 3 WochenAber wenn jemand Angst vor Schlamm am Stand hat, ist er/ sie am Kieselstrand Brightons bestens aufgehoben!