Manche Alben klingen wie ein Paukenschlag. „Let It Be“ nicht. Es klingt wie das letzte Wort am Ende eines langen Gesprächs. Heute, am 8. Mai 2025, jährt sich die Veröffentlichung des letzten Studioalbums der Beatles zum 55. Mal – und noch immer klingt es, als hätten John Lennon, Paul McCartney, George Harrison und Ringo Starr erst gestern die Bühne zum letzten Mal geräumt.
Dabei war 1970 nicht unbedingt das Jahr der großen Harmonie. Im Gegenteil: Die Band war zerstritten, zerfranst, am Ende ihrer Kräfte – und doch schufen sie mit „Let It Be“ ein Werk, das bis heute wie ein musikalisches Trennungs-Trostpflasterwirkt. Kein Knall, keine Pauken und Trompeten, sondern ein sanftes Crescendo des Genies – in den leisen Klängen des Klaviers offenbart sich das wahre Meisterwerk der Beatles.
Der Sound der Trennung
Man hört dem Album an, dass es nicht mehr viel zu kitten gab. Statt Studiozauber gibt es rohe Emotion. Statt Harmonie ein bisschen Chaos. Aber gerade das macht den Charme aus. Songs wie „The Long and Winding Road“ oder „Two of Us“ klingen wie Briefe aneinander – melancholisch, zärtlich, bittersüß. Und dann ist da natürlich „Let It Be“ selbst: ein Gospel fürs Leben, geschrieben in einer Zeit, in der nichts mehr sicher schien – außer vielleicht der Küchenweisheit von Paul McCartneys Mutter.
Paul McCartney sagte später, die Zeile sei ihm im Traum gekommen – seine verstorbene Mutter Mary habe ihm gesagt: „Let it be.“ Wenn das keine göttliche Eingebung ist, dann weiß ich auch nicht.
Vom Wohnzimmer zur Weltreligion
Was als spontane Jamsession auf dem Dach der Apple Studios begann, wurde zur popkulturellen Bibel. Ganz ohne Social Media, Streaming oder PR-Explosionen. „Let It Be“ kam still daher – und hallte laut in den Herzen vieler wider. Es war der letzte Gruß einer Band, die mehr beeinflusste als jede politische Bewegung ihrer Zeit.
Und noch heute verhält es sich mit dieser Ikone eines Songs genauso: Wer ihn auflegt, ist nicht wild auf ein nostalgisches Musikritual. Es ist eine sentimentale Erinnerung daran, dass selbst Abschiede schön sein können. Dass man loslassen darf. Und dass manchmal gerade im Abschied die Liebe am stärksten zu spüren ist.
Ein Lied, das bleibt
Und diese Liebe kann man bis heute spüren. Selbst wenn man 1970 noch nicht mal bei den eigenen Eltern in Planung war. „Let It Be“ hat eine generationenübergreifende Wirkung. Es war und ist ein Langzeitprojekt der Popgeschichte, das auch bei denen einzieht, die erst Jahrzehnte später geboren wurden.
Bei mir zum Beispiel. Während andere Kinder mit „Schlaf, Kindlein, schlaf“ ins Traumland segelten, sang mein Vater mir sachte „Let It Be“ und „Yesterday“ ins Ohr – Beatles statt Beruhigungstee.
Heute trage ich „Let It Be“ als Tattoo auf dem Unterarm, weil es längst mehr ist als ein Song. Es ist Haltung, Ermutigung, Trostspender, innerer Kompass. Und wenn ich heute an meinem Kamin meine Taylor-Holzgitarre stimme oder ein paar Takte am Blüthner-Klavier spiele – auf dem auch „Let It Be“ aufgenommen wurde – dann sitze ich da und singe und spiele ich „Let It Be“ – nicht selten mit Tränen in den Augen, noch öfter mit einem Lächeln im Gesicht. Aber immer mit dem Gefühl: Diese Musik hat mein Leben begleitet. Und tut es noch.
Die Beatles – unkaputtbar
Dass „Let It Be“ das letzte Album war, war keine PR-Strategie. Es war das leise Ende eines weltverändernden Phänomens. Danach kam nichts mehr – zumindest nicht gemeinsam. Doch was bleibt, ist der Nachhall. Beatles-Songs gehören heute in Klassenzimmer, auf Hochzeiten, bei Beerdigungen und in Werbespots. Man kann ihnen nicht entkommen – und will es auch nicht.
Mit ihrem Abschied haben die Beatles den Soundtrack für die Ewigkeit hinterlassen.
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