Auf einer Anhöhe am Ufer des Dart in Devon thront es, hell, stolz und zugleich auf subtile Weise intim und bescheiden – das Anwesen Greenway. Umgeben von einem landschaftlich mehr als abwechslungsreichen Areal wirkt das Fleckchen Erde wie eine eigene Welt – die Welt von Agatha Christie.
Berühmte Besitzerin
Erstmals erwähnt wurde Greenway im Jahr 1493 unter dem Namen „Greynway“. Im 16. Jahrhundert wurde an der Stelle ein Herrenhaus im Tudorstil erbaut. Das heutige Wohngebäude im georgianischen Stil stammt in etwa von 1780. Durch viele Hände ist es gegangen, unzählige Bewohnerinnen und Bewohner hat es erlebt, bis seine wohl berühmteste Besitzerin Agatha Christie im Jahr 1938 zuschlug und gemeinsam mit ihrem zweiten Ehemann Max Mallowan das Haus und die dazugehörigen 14,5 Hektar Land für 6000 Pfunde von den Tantiemen ihrer erfolgreichen Romane erwarb.
Geboren wurde die weltweit bekannte Schriftstellerin im Jahr 1890 in Torquay, wo sie eine glückliche und unbeschwerte Kindheit an Ashfield, einer viktorianischen Villa, verbrachte. Das Haus wurde später abgerissen, ein trauriges Ereignis, das die Queen of Crime nie ganz verkraftete. Vielleicht suchte sie in Greenway Trost und eine Art Ersatz für Ashfield. Geliebäugelt hatte sie mit dem Anwesen, welches ihr als nahezu ideal erschien, schon länger, und als es dann tatsächlich zum Verkauf stand, schien dies eine Fügung des Himmels für Agatha zu sein.
Greenway wurde zu einem häufig besuchten Ferienhaus der Mallowans, die ihren Hauptwohnsitz in Winterbrook House in Wallingford hatten. Von 1942 bis 1945 nahm jedoch die US Marine das Haus in Beschlag, sodass Agatha Christie und Max Mallowan erst an Weihnachten 1945 wieder zurückkehren konnten. Die Autorin fand das Grundstück nach den Kriegsjahren verwildert vor, sah aber immer noch die Schönheit des Ganzen. Sie, die eine bekennende Immobilien-Liebhaberin war und nach ihrer ersten gescheiterten Ehe mit Archibald Christie die Ruhe und Abgeschiedenheit suchte, hatte sich mit dem Erwerb von Greenway einen echten Lebenstraum erfüllt.
1959 überschrieb sie das Anwesen ihrer einzigen Tochter Rosalind, unter deren Führung der Landsitz um Lower Greenway erweitert wurde. Im Jahr 2000 übergaben die Nachkommen von Agatha Christie das komplette Areal an den National Trust, der das Haus renovieren ließ und es ab 2009 für die Öffentlichkeit zugänglich machte.
Wenn man durch die Räume streift, spürt man den Geist der großen Dame der Kriminalliteratur. Sie ist allgegenwärtig. Fast glaubt man, sie auf einem Stuhl an dem großen Esstisch sitzen zu sehen. Trotz der Besucherströme fühlt man sich bisweilen wie ein Eindringling, man möchte die Queen of Crime ja nicht stören … Vielleicht ersinnt sie ja gerade im Sessel vor dem Kamin einen ihrer grandiosen Romane oder sie sitzt irgendwo und tippt ihre Ideen nieder. Schließlich konnte sie überall schreiben, wie sie stets betonte. Sie brauchte nach eigenen Angaben lediglich ihre alte Schreibmaschine, auf der sie stets den ersten Entwurf verfasste, und irgendeinen Tisch, auf dem sie die Maschine abstellen konnte.
Ein Besuch des Hauses lohnt sich, zumal sehr viel Wert darauf gelegt wird, dass alles exakt so aussieht wie zu Lebzeiten der bedeutenden Schriftstellerin. Bei den Besucherinnen und Besuchern soll der Eindruck erweckt werden, dass die Familie nur kurz nach draußen gegangen wäre, was hervorragend gelingt.
Kleiner Tipp: Bringen Sie Zeit mit und falls Sie mit dem Auto anreisen, kümmern Sie sich unbedingt im Vorfeld um die Buchung eines Parkplatzes.
Inspirationsquelle
Wer schon einmal von der Anhöhe herunter zum Wasser geschaut hat, über dem die Nebelschwaden schweben, wundert sich vermutlich nicht mehr darüber, dass der Schriftstellerin hier so einige ihrer Ideen kamen. „16 Uhr 50 ab Paddington“ ist in Greenway entstanden, ebenso wie eine ganze Reihe weiterer Romane, beispielsweise „Ein Mord wird angekündigt“, „Mord im Spiegel“ oder „Wiedersehen mit Mrs Oliver“. In letzterem geht es um eine eine mörderische Schnitzeljagd auf einem englischen Landsitz, der auch der Detektiv Hercule Poirot und Ariadne Oliver beiwohnen. Bei der Verfilmung im Jahr 1986 mit Peter Ustinov in der Hauptrolle wurde Greenway als Drehort genutzt. Im Bootshaus unten am Fluss wird in der Geschichte eine Leiche entdeckt. Eine Schanze auf dem Gelände, die aus der Zeit der Napoleonischen Kriege stammt, spielt ebenfalls in einigen Romanen eine Rolle. In „Das unvollendete Bildnis“ wird an dieser Stelle ein Künstler vergiftet. Auch das Mobiliar wurde von der Schriftstellerin einbezogen. So erwähnt sie die Bagdad-Kommode am Eingang gleich in zwei Romanen.
Auch der Garten ist eine Besonderheit
Geprägt durch die zahlreichen früheren Eigentümer, die allesamt mit teils exotischen Pflanzen wie Akazien, Pagodenbäumen und Myrten den Bestand erweiterten, findet man hier sowohl Rasenflächen und Waldwege, als auch Bäume, Sträucher und Kieswege. Im Frühling blühen überall Pfingstrosen um die Wette, Bärlauch und Hasenglöckchen säumen die Pfade. Der Baumbestand besticht insbesondere durch Rhododendren, Magnolien und Kamelien. Auch seltene Eichen, Kiefern, Kastanien und Buchen beherbergen das Areal. Der National Trust bemüht sich seit vielen Jahren um die Katalogisierung des Pflanzenbestandes und hat bereits 3000 erfasst.
Agatha Christie liebte Greenway, das Haus, die vielen Blumen und den Schutz der Bäume. Als den schönsten Ort der Welt soll sie es einst bezeichnet haben. Auf den Punkt brachte es ihr Enkelsohn Mathew Prichard, als er sagte: „Wir verbrachten dort den Sommer; und langsam verblassten die Entbehrungen und Verluste der Kriegsjahre. Meine Großmutter kam jedes Jahr nach Greenway, wenn sie ein Buch beendet hatte, und dann schwelgten wir alle im Wohlgefühl.“
Vielleicht haben Sie ja Lust, herauszufinden, ob sich auch bei Ihnen während eines Besuchs in Greenway ein Wohlgefühl einstellt?
Weitere Informationen finden Sie auf der offiziellen Webseite!
https://www.nationaltrust.org.uk/visit/devon/greenway
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