Unscheinbar wirkt das Backsteinhaus mit seiner weiß umrahmten schwarzen Tür inmitten des Regierungsviertels von London in einer Seitenstraße von Whitehall. Dabei handelt es sich bei Hausnummer 10 der Downing Street um die wohl berühmteste Adresse der Stadt. Im 17. Jahrhundert vom Architekten Sir Christopher Wren entworfen, sollte das Gebäude zu nichts Geringerem als dem Weißen Haus von England werden, wie sie im Volksmund gerne bezeichnet wird. Hier schaltet, waltet und lebt der „First Lord of the Treasure“, der Erste Lord des Schatzamtes. Seit 1905 ist dieser auch immer gleichzeitig der Premierminister des Vereinigten Königreichs. Die Nachbarschaft bietet Vorteile, denn direkt daneben in Hausnummer 11 wohnt in der Regel der Finanzminister.
Der Schein trügt
Die äußerliche Schlichtheit der prominenten Adresse hat ihren Grund. Soll sie doch signalisieren: Ich bin einer von euch!
Doch hinter der Tür verbirgt sich eine Vielzahl an prächtigen Räumen, darunter der State Dining Room für Empfänge. Hinzu kommen Empfangsräume, Büros, die Privatwohnung des Premierministers sowie ein geschützter Garten. Von etwa 100 Räumen ist die Rede. Eindruck macht auch der Treppenaufgang im Inneren des Gebäudes, der von Fotos der jeweiligen Bewohner gesäumt wird, ebenso wie der Kabinettssaal. Was der lange Tisch darin wohl zu erzählen hätte, wenn er nur sprechen könnte? Er dürfte Zeuge der einen oder anderen geschichtsträchtigen Debatte gewesen sein. Im Büro des Premierministers fallen besonders die großen Bücherschränke auf. Sie sind verschlossen, aber vergitterte Türen gewähren einen Blick auf die geordneten Buchrücken.
Selbst einen Säulenraum hat das Haus mit der schlichten Vorderfront zu bieten. Mit jedem neuen Premierminister ändert sich die Einrichtung, insbesondere natürlich die des Arbeitszimmers.
Sicherheit geht vor
Stand früher meist nur ein einzelner Bobby vor der Tür, der nicht viel zu tun hatte, so änderte sich die Situation 1991 schlagartig, als am 07. Februar des Jahres drei Granaten auf Downing Street No. 10 abgefeuert wurden. Eine davon traf den Garten, die anderen beiden verfehlten das Ziel. Zu der Zeit hatte John Major gerade das Amt des Premierministers inne und besprach mit seinem Kriegskabinett den Golfkrieg. Die Granate explodierte 30 Meter von dem Raum entfernt, in dem das Kabinett tagte. Zu dem Anschlag bekannte sich die IRA, die es auch schon auf Margaret Thatcher abgesehen hatte. Major reagierte mit den Worten: „Demokraten lassen sich nicht vom Terrorismus einschüchtern!“ Zu seinem Kabinett soll er unmittelbar nach dem Anschlag gesagt haben: „Ich glaube, wir sollten noch mal anfangen, irgendwo anders!“
Die Downing Street wurde fortan mit einem Eisentor abgesperrt. Eine weitere Verschärfung der Sicherheitsmaßnahmen fand nach dem Terroranschlag am 11. September 2001 statt. Inzwischen ist die berühmte Straße für die Öffentlichkeit unzugänglich. Zutritt erhalten nur angemeldete Besuchern, Inhabern eines Parlamentsausweises und akkreditierten Pressevertretern gestattet. Bereits seit 1989 muss zudem ein Sicherheitskontrollpunkt passiert werden.
Hausnummer 10 oder 11 – das ist hier die Frage
Als Tony Blair im Jahr 1997 in die Downing Street zog, zeigte sich schnell, dass ein Wohnungstausch mit dem damaligen Schatzkanzler Gordon Brown aufgrund der Größe der Familie Blair sinnvoll war. Also zogen die Blairs in Hausnummer 11 und Brown bewohnte fortan Hausnummer 10. Auch David Cameron entschied sich aus ähnlichen Gründen wie Tony Blair für einen Wohnungstausch mit seinem Schatzkanzler George Osborne. Erst Rishi Sunak hielt 2022 wieder in Hausnummer 10 Einzug, während sich Keir Starmer 2024 für die Wohnung über Hausnummer 11 entschied.
Schon gewusst?
Die Haustür von Nummer 10 kann nur von innen geöffnet werden. Außen gibt es kein Schlüsselloch.
Nach einer Renovierung in den 1960er-Jahren wurden die Ziegelsteine, die von Londoner Smog verschmutzt waren, übrigens künstlich geschwärzt, denn die Menschen hatten sich an den schwarzen Anblick gewöhnt.
Eine Adresse mit Geschichte
10 Downing Street – eine auf den ersten Blick unscheinbare Adresse in einer schlichten Sackgasse. Und doch wurde und wird genau hier immer wieder Weltpolitik gemacht und Geschichte geschrieben.
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