Ein riesiges Meisterwerk mit schiefem Turm
Caerphilly Castle liegt inmitten des walisischen Ortes Caerphilly, der auch für seinen Käse berühmt ist. Die Anlage aus dem 13. Jahrhundert ist schon von Weitem sichtbar. Kein Wunder, denn dieses Meisterwerk der Militärarchitektur umfasst knapp 12 Hektar und ist damit die größte Burg in Wales und hinter Windsor Castle die zweitgrößte in ganz Großbritannien.
Eine kurze Bauzeit und der schiefe Turm von Wales
Der Erbauer des Kolosses, Gilbert de Clare, war zu Beginn der Bauarbeiten im Jahr 1268 gerade einmal 25 Jahre alt. Er sollte bis zu seinem Tod im Jahr 1295 zu einem der wichtigesten Magnaten Englands werden, was auch mit einer Vielzahl von Konflikten, Allianzen und Machtspielen einherging.
Die Burg war in erster Linie dazu bestimmt, den mächtigen walisischen Prinzen Llewellyn ap Gruffudd an der Expansion zu hindern.
Der Bau des Bollwerks geschah in einer unglaublichen Geschwindigkeit. In gerade einmal drei Jahren – zwischen 1268 und 1271 – entstand der Großteil einer Anlage, die als Meilenstein der britischen Militärarchitektur gilt. Doch wie das bei Bauarbeiten so ist, ging nicht alles glatt. Denn 1270 kam es zu einem Brandanschlag durch die Truppen Llewellyn ap Gruffudd und das Gemäuer wurde anschließend von königlichen Offiziellen unter Kontrolle genommen. Doch Gilbert stellte die Burg ungeachtet all dieser Zwischenfälle fertig.
Und das Ergebnis ist enorm: Caerphilly Castle ist vollkonzentrisch mit zwei Mauerringen angelegt, was damals eine Neuheit war. Außerdem verfügt sie über ausgedehnte Wasserflächen als weiteren Verteidigungsring und riesige Torhäuser.
Wer durch die Gänge oder auf den Turm steigt, merkt schnell, dass es bei diesem Gebäude in erster Linie um Wehrhaftigkeit ging. Militärisch bezwingen konnte sie tatsächlich nie jemand. Selbst Cromwell scheiterte im 17. Jahrhundert daran, obwohl seine Bemühungen eine deutliche Narbe hinterließen: Denn nach einem Angriff neigte sich ein Turm um etwa 10 Grad zur Seite, was möglicherweise auch dem instabilen Untergrund geschuldet ist. Der schiefe Turm verharrt bis heute in seiner ungewöhnlichen Position.
Die Burg und der reichste Mann des 19. Jahrhunderts
Doch die Burg war einst auch eine prachtvolle Residenz. Beim Anblick der riesigen beeindruckenden Halle fällt es leicht, sich vorzustellen, wie die Menschen hier Bankette feierten, Musiker aufspielten und das Feuer tanzende Schatten an die Wände warf.
Dass die Halle heute ein Dach hat und auch weitere Gebäudeteile mit Dach und Fenstern ausgestattet sind, ist John Crichton-Stuart, dem dritten Marquess von Bute zu verdanken. Er galt seinerzeit als reichster Mann der Welt und hatte eine Schwäche für Kultur und das Mittelalter. 1860 ließ er deshalb einen Teil von Caerphilly Castle renovieren, während vor allem die Wehranlagen sich heute noch als Ruinen präsentieren.
Barden, Picknicks und Käserennen
Trotz ihrer Widerstandskraft spielte die Anlage in den meisten militärischen Auseinandersetzungen auf der Insel bald keine Rolle mehr. Die Zeit nagte deshalb schon früh an den alten Mauern.
Das machte die Menschen in der Umgebung kreativ: Aus dem Jahr 1530 gibt es Aufzeichnungen, dass die Burg zerfalle und von Sumpfland umgeben sei, jedoch ein einzelner Turm als Gefängnis genutzt wurde.
Im 15. Jahrhundert soll sie außerdem Schauplatz für das walisische Eisteddfod gewesen sein – dabei traten Barden, Geschichtenerzähler und Poeten in Wettbewerben gegeneinander an.
Im 19. Jahrhundert wurde sie zudem für religiöse Zwecke, Festivals, Konzert und Gartenbauausstellungen genutzt. Heute dient der Innenhof als Picknickplatz und die Burg und das Gelände stehen für Reenactments, Konzerte, Märkte, Bankette, Filmvorführungen und Kunstausstellungen zur Verfügung.
Das berühmte Big Cheese Festival mit Käserennen fand bis 2022 regelmäßig auf der Anlage statt. Doch wegen Bauarbeiten in der Burg weichen die Organisatoren auch Ende August 2024 mit dem Little Cheese Festival auf die Ortsmitte aus.
Ein Besuch lohnt auch ohne Käsefestival, denn Caerphilly Castle bietet spannende und lehrreiche Einblicke in die wechselvolle Geschichte des Mittelalters. Von der Aussichtplattform oben auf dem Turm hat man zudem eine wunderbare Rundumsicht auf die walisische Landschaft.
Die grüne Dame von Caerphilly Castle – eine Geistergeschichte
Doch Halt, eine Sache fehlt noch: Wie es sich für eine britische Burg gehört, gibt es selbstverständlich auch auf Caerphilly einen Geist.
Als Gilbert de Clare die aus Frankreich stammende Prinzessin Alice von Angouleme heiratete, war das für sie kein freudiges Ereignis. Die Prinzessin verliebte sich schon bald in einen anderen walisischen Prinzen. Als Gilbert davon erfuhr, packte ihn die Wut und er schickte seine Braut erbost zurück nach Frankreich.
Der Nebenbuhler landete am Galgen und der unbarmherzige Gilbert sandte einen Boten, um Alice über die Ermordung ihres Geliebten zu informieren. Sie soll so geschockt gewesen sein, dass sie auf der Stelle tot umfiel. Seitdem spukt sie angeblich auf den Mauern von Caerphilly umher - in einem fein gewebten grünen Kleid, das Gilberts Neid symbolisieren soll. Man nennt sie deshalb auch die grüne Dame.
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