In Großbritannien stehen hunderte von Herrenhäusern der verschiedensten Größen und Namen, vom Mansion und Manor House, über Palace und Castle, bis zum Country House, Estate, Court, Hall und Abbey. Doch die Benennung ist alles andere als einheitlich, denn es gibt keine klaren Regeln, wann ein Haus wie heißen darf oder muss. In den meisten Fällen deutet es auf die historische Bedeutung des Hauses oder sogar nur des Grundstückes hin, manchmal auch auf die Bewohner.
Country House bzw. Country Home
Am einfachsten sind „Country Houses“ oder „Country Homes“ in der Definition. Sie stehen im Gegensatz zu einem „Town House“ auf dem Land. Ganz klassisch ist das „Highgrove House“ in Gloucestershire, das Wohnsitz von Prinz Charles und seiner Frau Camilla ist.
Abbey und Priory
Wenn ein „Abbey“ oder „Priory“ im Namen eines Herrenhauses zu finden ist, dann wurde dieses nach der Auflösung der Klöster durch Heinrich VIII. in ein privates Landhaus umgewandelt, meist wurde es an die Günstlinge des Königs vergeben. „Woburn Abbey“ in Bedfordshire und „Nostell Priory“ in West Yorkshire sind zwei Beispiele dafür.
Mansion und Manor
Das englische Wort „manse“ bezeichnete ursprünglich einen Besitz, der groß genug war, damit der Pfarrer sich selbst versorgen konnte. Heutzutage aber ist eine „Mansion“ nicht mehr auf diese Art selbstversorgend. „Manor“ stammt von der gleichen Wurzel und bedeutet territoriale Besitztümer, die einem Lord gewährt wurden. Das „Manor House“ wurde zum Hauptwohnsitz des Gutsherrn und bildete das administrative Zentrum eines Gutes. „Thornton Manor“ in Merseyside und „Folkington Manor“ in East Sussex sind klassische Manors.
Hall
In der Architektur bezeichnet „hall“ einen relativ großen Raum, der von einem Dach und Wänden umschlossen ist. Als sich nach dem Mittelalter immer komplexere Hausgrundrisse entwickelten, blieb die „hall“ als ein großer Raum für Tanz und große Feste und befand sich in der Regel direkt vor der Haupteingangstür. Beispiele sind „Farley Hall“ in Berkshire und „Winslow Hall“ in Buckinghamshire. Auch in modernen britischen Häusern ist eine „hall“ neben der Eingangstür nach wie vor üblich, auch wenn sie eigentlich nur noch ein Flur ist.
Castle
Bei einem „Castle“ ist der Ursprung, wie der Name es verrät, eine Burg. Per Definition unterscheidet sich eine Burg von einem Palast durch seine Wehranlagen. Diese müssen aber bei einem Herrenhaus nicht mehr vorhanden sein, damit es sich „Castle“ nennen darf. Meist steht solch ein Herrenhaus auf dem Platz einer früheren Burg oder das Haus hat noch einige Teile der Burg in die Architektur mit aufgenommen. „Windsor Castle“ in Berkshire, wo noch viel von der alten Burganlage zu erkennen ist, oder „Highcliffe Castle“ in Dorset tragen den Begriff noch im Namen.
Palace
Bei „Palace“ sollte man denken, dass diese per Definition nur als offizielle Residenzen der Royals oder von Bischöfen genutzt werden. Aber auch das stimmt nicht immer! Zum Beispiel wird der „Palace of Holyroodhouse“, die offizielle Residenz des britischen Monarchen in Schottland, häufig einfach nur „Holyroodhouse“ genannt. „Blenheim Palace“ hingegen wurde zwar auf dem Gelände eines stillgelegten königlichen Palastes gebaut, aber ist das einzig verbliebene nicht königliche, nicht bischöfliche Landhaus in England, das den Titel eines Palastes trägt. Die Bezeichnung „place“ für ein Herrenhaus ist wahrscheinlich eine Abkürzung von „palace“.
Estate
Der Zusatz „estate“ kann bei einem Herrenhaus darauf hinweisen, dass früher die Erträge aus den Produkten und Mieten aus dem dazugehörigen Ackerland, Wäldern, Gärten und Grundstücken ausreichten, um den Haushalt im Herrenhaus zu unterhalten. Da sich der Begriff „estate“ im modernen britischen Englisch allerdings zur Bedeutung „Grundstück“ oder „Vermögen“ gewandelt hat, ist dieser Begriff nur noch selten bei Herrenhäusern als Zusatz zu finden, z. B. bei „Godolphin Estate“ in Cornwall oder „Denbies Wine Estate“ in Surrey, das immer noch vom größten Weinberg Englands umgeben ist und daher den Namen im alten Sinne noch verdient.
Court
Am Willkürlichsten scheint die Bezeichnung „court“ zu sein, denn nicht in allen Fällen gab es in dem Herrenhaus jemals ein Gericht, das Recht gesprochen hat. Im 17. Jahrhundert schrieb der Historiker Tristram Risdon über das Herrenhaus in Yarnscombe: „Ihr Haus wird "Court" genannt, was ein Herrenhaus oder eine Hauptwohnung in einer Herrschaft bedeutet.“ Der Biograph John Prince (1643 – 1723) hingegen sieht „court“ aus folgendem Grund als Bezeichnung für ein Herrenhaus: „Der offensichtliche Ursprung des Suffixes („court“) scheint zu sein, dass das Gebäude der Ort war, an dem die herrschaftlichen Gerichte abgehalten wurden.“ „Frampton Court“ in Gloucestershire und „Burton Court“ in Herefordshire sind zwei Herrenhäuser mit dieser Bezeichnung.
Als wäre dies nicht alles verwirrend genug, gibt es dann noch Herrenhäuser mit mehreren Titeln im Namen, z. B. „Chenies Manor House“ in Buckinghamshire, „Burton Agnes Manor House“ in Yorkshire, „Abbey House, Cirencester“ in Gloucestershire, „Hampton Court Castle“ in Herefordshire oder „Castle Ashby Manor“ in Northamptonshire. Wahrscheinlich sollten wir vom deutschen Hang zur Definition einfach absehen und uns an der jeweiligen Geschichte, der Architektur, den Gärten und der Kunst des Herrenhauses erfreuen!
Leserbriefe (0)
Keine Leserbriefe gefunden!