Moderne Architektur
Ein silbrig schimmernder Wal. Ein Paillettenkleid aus den 1960ern. Eine Welle im Meer. Ein Raumschiff. Woran auch immer man beim Anblick des Selfridges-Kaufhauses in Birmingham denkt: Es lässt keinen kalt und teilt die Betrachter in Fans und Gegner. Das 2003 erbaute Gebäude – entworfen von einem Londoner Architekturbüro mit dem passenden Namen Future Systems – ist zu einem der inoffiziellen Wahrzeichen der Stadt geworden. Es hat eine Form, die man gern „organisch“ nennt, wie gewachsen, ohne Ecken und Kanten. 15 000 runde Aluminiumscheiben, die ein wenig an überdimensionierte CDs erinnern, bedecken die Fassade. Die Wand dahinter leuchtet in jenem Farbton, mit dem ein französischer Maler berühmt geworden ist: Yves-Klein-Blau, intensives Kobalt. Bei Sonne und bedecktem Himmel, bei Regen und Nebel, bei Tag und bei Nacht sieht der seinerzeit 60 Millionen Pfund teure Bau jeweils anders aus. Im Innern ist ein Lichthof mit Glasdach.
Die feine Kaufhauskette Selfridges hat nur vier Filialen, die bekannteste und älteste ist die vor 110 Jahren eröffnete auf der Oxford Street in London (die anderen beiden sind in Manchester). Für Birmingham hat das Warenhaus im Einkaufszentrum Bullring nicht nur wegen der Optik eine besondere Bedeutung. Denn die alte Industriestadt stand, wie viele andere, nach dem Strukturwandel in den 1970ern und 1980ern vor einer großen Herausforderung: Wie geht es weiter? Die Politik entschied sich, „Brum“ zu einem Dienstleistungs- und Messezentrum auszubauen und unter anderem auf einen attraktiven Einzelhandel zu setzen. Der mitten in der Stadt gelegene „Bullring“, früher eine Ansammlung von Märkten und im 17. Jahrhundert ein Schauplatz für die beliebten grausamen Kämpfe zwischen Stieren und Bären (daher der Name), wurde zu einem modernen Einkaufszentrum ausgebaut.
Selfridges ist sehr britisch, wurde aber von dem Amerikaner Harry Gordon Selfridge gegründet (dessen Geschichte Vorlage für eine beliebte Fernsehserie namens Mr. Selfridge war). Sein erstes Warenhaus in London sieht völlig anders aus als die Schwester in Birmingham, ein neoklassischer Konsumtempel mit einer Säulenfassade – ganz typisch für die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Ob ihm der silberne Wal gefallen hätte? Vermutlich. Selfridge war ein cleverer Geschäftsmann, der sich stets für neue Trends interessierte und auch in der Oxford Street die damals allerneuesten Bau- und nach Eröffnung auch Verkaufsmethoden anwenden ließ.
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