nicht nur für Faultiere
Am 20. Oktober ist Internationaler Tag des Faultieres, auf Englisch: International Sloth Day. Er dient natürlich dazu, die Aufmerksamkeit auf dieses liebenswerte Wesen zu lenken und für seinen Erhalt einzutreten. Faultiere oder „sloths“ (schwierig auszusprechen, oder?) leben in tropischen Regenwäldern, hängen dort gern in den Baumkronen und bewegen sich so wenig wie möglich, was mit ihrem Stoffwechsel zu tun hat.
Im Englischen ist das Faultier – sprachlich gesehen – nicht faul, sondern träge, denn „sloth“ heißt auch: Trägheit. Das ist zwar nur ein kleiner Unterschied, aber eben doch einer. Grob gesagt, ein fauler Mensch macht möglichst gar nichts, ein träger Mensch braucht halt Zeit, bis er in die Gänge kommt. Gleichwohl zählt „sloth“, die Trägheit, zu den sieben Hauptsünden (die anderen sind Zorn, Neid, Hochmut, Geiz, Völlerei und Wollust).
Trägheit ist also negativ besetzt. Aber warum muss man eigentlich die ganze Zeit aktiv sein? Braucht nicht auch der Mensch Phasen der Trägheit oder, netter ausgedrückt, des Müßiggangs? Diese Frage stellt und beantwortet schon seit Jahren eine Organisation in London, die sich „The Idler“ nennt, der Müßiggänger. Sie gibt ein Magazin heraus, organisiert Lesungen, Konzerte und Dinnerpartys und bietet Onlinekurse zu einer Fülle von Themen an, von der Schönschrift über das Brotbacken bis zur Philosophie und auch „eine kurze Einführung in die Anarchie“. Denn anarchistisch ist das Konzept von Gründer Tom Hodgkinson in gewisser Weise schon. Es geht aber nicht darum, gar nichts mehr zu tun, sondern eher darum, nach Möglichkeit das zu tun, was Freude macht. Wenn man dann noch Geld damit verdienen kann, steht der Entspannung wirklich nichts mehr im Weg. Gelingt das nicht, soll man sich wenigstens nicht auch noch die Freizeit mit Leistungsansprüchen verbauen.
Zugegeben war das jetzt ein weiter Bogen vom Faultiertag zum Philosophiekurs. Aber vielleicht sollten wir uns das Kerlchen namens „sloth“ ein wenig zum Vorbild nehmen. Es ist niedlich und friedlich, reißt nur so viele Blätter ab, wie es braucht, geht sehr sparsam mit Energie (und zwar der eigenen) um, ist perfekt an seinen Lebensraum angepasst, kann aber im Notfall hervorragend schwimmen. Und so, wie es guckt, philosophiert es vermutlich rund um die Uhr, behält seine Erkenntnisse aber für sich. Happy Sloth Day!
Leserbriefe (1)
Gabriel Lauchard
am 20.10.2018