alles schon mal dagewesen
Früher war zwar nicht alles besser, aber manches vielleicht schöner – warum sonst sind Retro, Vintage, Shabby Chic so beliebt, in Großbritannien noch mehr als bei uns? Die Orientierung an vergangenen Epochen ist allerdings im doppelten Sinne nichts Neues. Schon vor Jahrhunderten haben Menschen in der Architektur, im Einrichtungsstil und in der Kleidung frühere Zeiten zitiert. „Antike“ Säulen waren im 18. Jahrhundert der letzte Schrei, falsche Gotik im 19. – und als in den Fifties weite Petticoats modern wurden, so war das eine Neuinterpretation der Reifröcke des Rokokos und dann der Zeit um 1860, als die Damen kaum durch die Türen kamen vor lauter Rock.
Was bedeuten eigentlich Vintage, Retro, Shabby Chic? Der Unterschied ist schnell erklärt.
Shabby Chic
„Shabby Chic“ beschreibt einen Einrichtungsstil mit klassischen Möbeln und Accessoires, die aber nicht picobello aussehen, sondern deutliche Gebrauchsspuren zeigen. Inspiriert wurde diese Mode von englischen Landsitzen, deren Inventar eben nicht ständig erneuert, sondern über Generationen weitergereicht wurde und wird. Da macht es nichts, wenn der Teppich fadenscheinig ist und das Ledersofa ordentlich Patina hat, im Gegenteil. Wo der Effekt nicht durch den Zahn der Zeit bewirkt wurde, kann man nachhelfen. Abgelaugte Kommoden, deren Lackierung noch zu erahnen ist, sind ein typisches Möbel dieser Stilrichtung. Alles soll unperfekt und trotzdem stilvoll wirken. Der Shabby Chic vermischt auch alte und neue Möbel ganz selbstverständlich.
Vintage
„Vintage“ dagegen, eigentlich der Jahrgangsbegriff aus der Weinkunde, heißt: echt und alt, aber nicht so alt, dass es antik wäre. Wann genau die Antiquität beginnt, darüber streiten die Gelehrten. Eine gängige Formel lautet: Alles vor den 1920ern ist antik, was danach kommt, „vintage“. Allerdings gibt es auch Leute, die Art-déco-Möbel als Antiquitäten bezeichnen, und die stammen zum großen Teil aus den 1930ern (wobei es in der Natur der Sache liegt, dass die Definition sich im Lauf der Jahre verschiebt). Echte Vintage-Kleidung findet man zum Beispiel im Second-Hand-Laden oder in Omas Kleiderschrank. Im alten Stil gefertigte, aber neue Möbel und Kleider werden dagegen als „vintage style“ oder Vintagestil bezeichnet.
Retro
Retro heißt „zurück“ und bezieht sich meist auf die 1950er- bis 1970er-Jahre. Ein bunt lackierter Küchenmixer zum Beispiel ist retro, auch wenn er ein modernes Innenleben hat, ebenso ein Radio im Fifties-Stil oder eine neue Tapete mit „psychedelischen“ Mustern. Retro kann „vintage style“ sein, aber eigentlich nicht „vintage“. Aber im allgemeinen Sprachgebrauch verschwimmen die Definitionen, und das macht ja auch nichts. Hauptsache, die Optik ist von gestern.
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