Heute geht unsere Fähre ab Newcastle. Wir starten früh, denn es erwartet uns ein Kontrastprogramm: Erst wollen wir Lockerbie besuchen, Stätte eines schrecklichen Terroranschlags, und anschließend das Hochzeitsparadies Gretna Green.
Lockerbie ist eine Kleinstadt, deren Namen nur die Schotten kannten – bis am Abend des 21. Dezember 1988 der Tod vom Himmel fiel. Eine Boeing 747 der amerikanischen Fluggesellschaft PanAm war von einer Bombe zerrissen worden (als Täter wurden später libysche Terroristen benannt). Ausgerechnet die mit Treibstoff befüllten Tragflächen stürzten auf bewohntes Gebiet. Alle 259 Insassen des Flugzeugs kamen ums Leben, und 11 Bewohner Lockerbies.
Wie geht eine Stadt mit einer solchen Geschichte um? Kurz vor der Ortseinfahrt ist ein Besucherzentrum eingerichtet worden, in dem wir herzlich empfangen werden. Die Dame, die gerade Dienst hat, kann sich gut an die Nacht des Anschlags erinnern. „Es war pures Chaos, stockdunkel, nur helle Flammen. Der ganze Straßenzug war pulverisiert“, erzählt sie. Unter den toten Passagieren waren viele amerikanische Studenten, die ihr Leben noch vor sich gehabt hätten. Ein handgearbeiteter Quilt würdigt die Opfer. Er zeigt einen Baum, und jedes Blatt steht für einen der ermordeten Menschen.
Auf dem benachbarten Friedhof ist der „Garden of Remembrance“, der Erinnerungsgarten. Angehörige haben dort Bäume für ihre Lieben gepflanzt. Wie wir auf den Plaketten lesen können, haben manche von ihnen ihre gesamte Familie verloren: Mann und Kinder saßen im Flugzeug, die Ehefrau war nicht mitgeflogen. Unvorstellbares Leid.
Schweigend fahren wir weiter.
Nach einem kleinen Abstecher nach Hexham erreichen wir Gretna Green, das direkt an der Grenze zu England liegt. Hier traute einst der örtliche Hufschmied junge Paare. Der Grund war ein englisches Gesetz, das bei Minderjährigen die Einwilligung der Eltern verlangte – in Schottland galt es aber nicht, und so kamen die Liebenden zu Tausenden über die Grenze. Auch Joschka Fischer gab in Gretna Green sein erstes Ja-Wort, kaum ahnend, dass er es auf fünf Ehefrauen bringen würde (bis jetzt jedenfalls).
Heute ist Gretna Green ziemlich durchkommerzialisiert mit Restaurants und Shops. Trotzdem: Der Besuch im Museum lohnt sich, denn es ist eine so ungewöhnliche Geschichte. Ein Foto vor der Skulptur der beiden sich umschlingenden Hände ist natürlich ein Muss.
Nun reißen wir uns los. Die Fähre in South Shields wird nicht auf uns warten. Bye bye Scotland! Wir haben viel, wenn auch längst nicht alles von dir gesehen … aber das muss ja nicht so bleiben. Vielleicht kommen wir nächstes Mal wieder mit Anhang!
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