Der Komet war schuld. Im Frühjahr 1665 hatte er hell und strahlend am Himmel gestanden, von den Londonern mit Angst und Misstrauen beäugt. Und tatsächlich, noch im selben Jahr brach in der englischen Hauptstadt die Pest aus, die mehr als 80 000 Menschen das Leben kostete. Kaum war sie abgeklungen, legte vom 2. bis 5. September 1666 ein Feuer, das als „Great Fire of London“ in die Geschichte einging, fast die gesamte Altstadt in Schutt und Asche.
Der Brand entzündete sich in einer Bäckerei in der Pudding Lane und fraß sich – angefacht von Wind – durch die eng bebauten Gassen. Fast alle Häuser waren aus Holz, mit Reet gedeckt (beides offiziell verboten, worum sich aber niemand kümmerte). Zudem verbreiterten sie sich nach oben, nur das Erdgeschoss war schmal, um Grundsteuer zu sparen. So berührten die Dächer einander fast, was den Flammen leichtes Spiel bescherte. Und in vielen Kellern lagerte neben Heu und Stroh für die Pferde auch noch Schießpulver aus dem Bürgerkrieg.
Das große Feuer von London ist gut dokumentiert, nicht zuletzt von dem schreibfreudigen Beamten Samuel Pepys (gesprochen: Pieps!), dessen Tagebücher einen wertvollen Einblick in die Londoner Gesellschaft des 17. Jahrhunderts geben. Über die Zahl der Opfer ist nichts bekannt, sie soll aber gering sein. Um die sogenannten kleinen Leute aus den Slums kümmerte sich zu dieser Zeit keiner. Wichtig war, dass die ehrbaren Bürger und der Adel unberührt blieben vom großen Feuer. Pepys aber beschreibt eindringlich die Panik der Menschen, die – ihre Habseligkeiten unter dem Arm – durch die engen Stadttore oder über die Themse zu entkommen suchten.
König Charles II. höchstselbst half bei den Löscharbeiten. Zum einen war er ein tatkräftiger Mann, zum anderen wusste er, wie gefährlich ein wütender Mob werden kann. Er war erst vor einigen Jahres aus dem Exil zurückgekehrt; sein Vater Charles I. hatte sein Leben im Bürgerkrieg auf dem Schafott beendet. Nach anfänglichem Zögern gingen die Brandbekämpfer dazu über, Häuser wegzusprengen, um Brandschneisen zu schlagen – eine sehr unpopuläre, aber wirksame Maßnahme. Es sollte unbedingt verhindert werden, dass das Feuer den Tower erreichte. Denn dessen Pulvervorräte hätten halb London in die Luft gejagt. Zum Glück legte sich der Wind, und am 5. September war das Feuer aus.
Und dann? Städte wie Lissabon nutzten die Chance, nach dem großen Erdbeben eine komplett neue barocke Stadt zu bauen. Auch in London gab es Pläne, das Gewirr der alten Gassen durch breite Straßen, elegant im Schachbrettmuster angelegt, zu ersetzen. Jedoch fehlte es an Geld und Durchsetzungsfähigkeit. Eindrucksvollster Bau, der nach dem Feuer entstand, war die St. Paul´s Cathedral – ihre gotische Vorgängerin war komplett ausgebrannt. Vom selben Architekten, Sir Christopher Wren, stammt auch das Denkmal für den großen Brand: The Monument. Auf der 61 Meter hohen, vor einigen Jahren restaurierten Säule steht eine goldene Urne, aus der Flammen schlagen; darunter ist eine Aussichtsplattform. Verschwunden ist jedoch die Inschrift, die damals die Katholiken beschuldigte, den Brand gelegt zu haben – sehr ungerecht, aber dem Zeitgeist entsprechend.
Auch dort, wo das Feuer Halt machte, steht ein Denkmal: der goldene Junge von Pye Corner. Dass der Brand in der Pudding Lane begann und an der Pye (Pie) Corner endete, werteten die abergläubischen Londoner als Zeichen: Gott habe die Menschen für Völlerei strafen wollen.
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