Wer Rebecca Michéle noch nicht kennt: Sie ist die Autorin der derzeit vier Bücher rumfassenden „Mable Clarence“-Reihe. 1963 wurde sie in Rottweil, Baden-Württemberg, geboren und wuchs dort auf. Heute lebt sie in der Nähe von Stuttgart gemeinsam mit ihrem Mann und zwei Katzen.
Im Jahr 1996 wurde ihr erster Roman veröffentlicht. Seitdem folgten rund 40 Romane in den verschiedensten Genres, z. B. Krimis, historische Romane und historische Liebesromane, Familiensagas usw. teilweise auch unter anderen Pseudonymen, davon viele Romane, deren Geschichten in Großbritannien angesiedelt sind. Seit dem Jahr 2000 ist Rebecca Michéle freie Autorin.
Neben dem Schreiben organisiert und leitet sie Studienfahrten nach Großbritannien und Irland, setzt sich für den Tierschutz ein, ist seit 1986 Turniertänzern und seit 1989 Tanzsporttrainerin.
Frau Michéle, vielen Dank, dass Sie sich Zeit für uns nehmen. Woher kommt Ihre Liebe zu Großbritannien und Irland?
Aufgewachsen in einer Gegend, in der es zahlreiche historische Städte, Burgen und Schlösser gibt, streifte ich bereits als Kind regelmäßig durch die alten Gemäuer und stellte mir vor, wie die Menschen früher wohl gelebt hatten. Ich war auf einer Grundschule, in der uns bereits ab der zweiten Klasse auf spielerische Weise die englische Sprache gelehrt wurde. Von Anfang an hat mich alles fasziniert, was mit Großbritannien, dem Leben dort und der Geschichte zu tun hat. Unterstützt wurde ich von meiner Mutter, die ihrerseits sehr belesen und an der Historie interessiert war. So fanden sich in unserem Bücherschrank u.a. zahlreiche Romane der englischen Autorin Victoria Holt (auch bekannt unter den Namen Jean Plaidy und Philippa Carr).
Angeregt durch diese Lektüre wollte ich mehr über die historischen Hintergründe erfahren. So wünschte ich mir z. B. zu meinem 12. Geburtstag eine Biografie über König Henry VIII. Ich gebe zu, in diesem Alter war die Lektüre eines solchen Werkes schon etwas schwer, es war aber der Anfang einer umfangreichen Sammlung von allem, was mit Großbritannien und britischer Geschichte zu tun hat. Heute besitze ich ca. 500 Sachbücher über die britische Geschichte quer durch alle Epochen.
Erst mit zwanzig Jahren konnte ich dann endlich auf die Insel meiner Träume reisen. Sofort, als ich einen Fuß auf den Boden gesetzt hatte, wusste ich: „Das ist mein Land!“ Ich kann es nicht erklären, warum und wieso, komme ich aber nach Großbritannien, dann fühle ich mich einfach zu Hause. Ich liebe die Insel, das dortige Leben, natürlich die unzähligen historischen Stätten, bei denen die Vergangenheit lebendig wird, die britische Freundlichkeit und Höflichkeit, den Linksverkehr, ebenso wie das Wetter und auch das Essen – das übrigens besser als sein Ruf ist!
Besonders die Geschichte hat es mir angetan, denn ich finde, kaum ein anderes Land der Welt hat so eine vielfältige Historie mit so vielen interessanten Figuren wie Großbritannien.
Da ich mütterlicherseits meine Vorfahren bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen kann, gibt es definitiv keinen Briten unter Ihnen. Väterlicherseits ist es nicht fundiert, doch aber eher ausgeschlossen.
Sie führen ja auch Studienreisen nach Großbritannien und Irland durch. Wo kann man eine solche Reise buchen?
Da das Schreiben an erster Stelle steht, sind die Organisationen und Reiseleitungen nur ein Hobby für mich, d. h. ich mache nicht mehr als drei Reisen pro Jahr. Das mache ich freiberuflich, bin bei keinem Unternehmen angestellt, sondern begleite Reisen, wenn Bedarf besteht. Als Privatperson darf und kann ich keine eigenen Reisen anbieten, sondern organisiere für Unternehmen entsprechende Touren, gebe Tipps für Hotels und Ausflüge und berate allgemein über GB und Irland. Vorrangig handelt es sich um Volkshochschulen und Vereine, z. B. für einen Jahresausflug, oder auch private Gruppen. Wenn die Route usw. steht, dann arbeitete ich mit einem Busunternehmen zusammen, bei dem ich selbst öfters als Reiseleiterin für deren Reisen nach GB und Irland eingesetzt werde. Es handelt sich um Schlienz-Reisen, in der Nähe von Stuttgart. www.schlienz.info
Haben Sie einen Lieblingsort in Großbritannien? Und einen Geheimtipp für uns, wo man unbedingt mal hinfahren muss?
Meine Lieblingsgegend in Großbritannien ist ganz klar Cornwall, wobei ich auch Schottland außerordentlich liebe. In Cornwall ist es auf jeden Fall die vielfältige Küstenlandschaft, die man unbedingt gesehen haben muss und in Schottland natürlich die Highlands.
Meine Lieblingsstadt ist Edinburgh – für mich die schönste Stadt der Welt.
Als Geheimtipp in Cornwall empfehle ich unbedingt Lizard Point – die südlichste Spitze des britischen Festlandes. Alle Reisegruppen fahren grundsätzlich nach Land’s End (der westlichste Punkt der Insel), wobei die Klippenlandschaft des Lizard‘s um ein vielfaches schöner und die Gegend lange nicht so überlaufen wie Land’s End ist.
Weiter sollte man in Cornwall eine Wanderung im Bodmin Moor unternehmen. Die meisten Touristen besuchen das Dartmoor, dabei bietet das Bodmin Moor so viel: Die Hurlers, der Cheesewring, wandern Sie auf Rough Tor und Brown Willy (der höchste Punkt Cornwalls). Hier ist Cornwall noch ganz ursprünglich, und man verliert in dieser Einsamkeit alle Sorgen und Nöte.
Die Liste ließe sich unendlich fortsetzen, denn außerhalb der bekannten Orte und Gegenden finden sich im Südwesten so unendlich viele schöne Stellen, ebenso in Devon und in Dorset.
Haben Sie schon mal überlegt, einen Reiseführer heraus zu bringen?
In der Tat gab und gibt es hier Pläne, die derzeit aber nicht verwirklicht werden können, was in erster Linie daran liegt, dass ich mit Romanverträgen für die nächsten Jahre gut beschäftigt sein werde. Am liebsten würde ich einen Wanderführer Cornwall in deutscher Sprache erstellen. Es gibt zwar sehr viel Informationsmaterial, aber zu 90 % nur in englischer Sprache, und ich höre immer wieder von Deutschen, dass sie sich solche Informationen auf Deutsch wünschen würden. Gern würde ich einen solchen Reiseführer mit den zahlreichen Mythen, Sagen und Legenden Cornwalls verbinden, ebenso wie Geheimtipps, die in den klassischen Reiseführern nur selten zu finden sind.
Erst kürzlich hatte ich ein Angebot für einen solchen Reiseführer. Leider waren die finanziellen Konditionen des Verlages für mich nicht annehmbar, denn trotz aller Liebe zu dem Land, muss ich auch auf meine Finanzen ein Auge haben. Aber aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben.
Warum spielen die Romane der „Mable Clarence“-Serie in Cornwall?
Die Grundidee zu dieser Reihe entstand bei mir in Anlehnung an die Rosamunde-Pilcher-Verfilmungen im ZDF, in Kombination mit den zahlreichen Krimiverfilmungen an anderen interessanten Orten der Welt. Krimi und schöne Landschaften – das scheint beim Publikum anzukommen. Im deutschsprachigen Raum verbinden die meisten Menschen Cornwall mit den Pilcher-Liebesgeschichten, daher dachte ich mir: „Warum nicht Kriminalfälle, eingebettet in diese zauberhafte Landschaft?“ Es war mir aber sofort klar, dass Cornwall und blutrünstige Thriller irgendwie nicht zusammenpassen, daher versuche ich, dieser Reihe ein wenig britischen Humor einzuhauchen und die Personen sehr „britisch“ wirken zu lassen, denn es gibt hier doch deutliche Unterschiede zu uns Deutschen.
An dieser Stelle möchte ich dem Goldfinch-Verlag, Frankfurt, ganz herzlichen Dank aussprechen, dass mir dort die Gelegenheit gegeben wurde, diese Reihe zu veröffentlichen.
Recherchieren Sie immer vor Ort?
Ich schreibe bevorzugt über Gegenden, die mir vertraut sind, denn so kann man am besten das dortige Flair transportieren. Obwohl Higher und Lower Barton fiktiv sind – die Gegend und die realen Orte wie z. B. Polperro, Looe und Fowey, kenne ich wie meine Westentasche.
Darüber hinaus bin ich seit 1992 eng mit einer cornischen Familie befreundet und verbringe mit ihnen viel private Zeit (u. a. Weihnachten, Hochzeiten, sonstige Familienfeiern). So weiß ich über das Leben in Cornwall mehr, als „normale“ Touristen. Pro Roman erfolgt bei mir keine neue Recherche von Grund auf, sondern ich kenne mich in Cornwall besser aus, als in meiner Heimat Baden-Württemberg. Natürlich recherchiere ich für spezielle Szenen vor Ort, eigentlich ist jede meiner Reisen Recherche, denn ich sauge regelrecht alles in mich auf. Neben den Reiseleitungen fahre ich ja auch mindestens einmal im Jahr, meisten aber mehrmals, nach Großbritannien für meinen privaten Urlaub.
Wie „britisch“ ist Ihr Schreibplatz, also der Ort, an dem Sie schreiben?
Oh, eigentlich ist das ganze Haus sehr britisch :-). Das fängt damit an, dass es ein Schild mit dem Namen „Pisky Cottage“ trägt. In Großbritannien haben die meisten Häuser ja entsprechende Namensschilder. Dann haben wir einen Türklopfer in Form eines Piskys (das ist übrigens eine cornische Sagengestalt), gleich im Eingangsbereich eine Pisky-Statue und an nahezu allen Wänden hängen Bilder aus Großbritannien. In jedem Raum finden sich typische Einrichtungsgegenstände eines englischen Cottages. Selbstverständlich auch in meinem Arbeitszimmer, zusätzlich habe ich hier noch die britische sowie die cornische Flagge hängen. Es vergeht kein Aufenthalt auf der Insel, von dem ich nicht irgendetwas mitbringe, dass unser Haus weiter in ein englisches Cottage verwandelt. Auch unser Garten ist für das „Schwabenländle“ eher untypisch, er würde eher nach Cornwall passen. Ich kann von Glück sagen, dass mein Mann meine Leidenschaft teilt.
An welchem Projekt oder Projekten arbeiten Sie gerade? Wird es einen 5. Band der Mable Clarence-Reihe geben?
Ja, das 5. Abenteuer für Mabel Clarence ist bereits in Planung und wird im Herbst 2015 erscheinen. In ein paar Wochen werde ich mit dem Schreiben dieser erneut spannenden Geschichte beginnen. Ich kann bereits verraten, dass Dinge geschehen, die Lower und Higher Barton ganz schön aufmischen werden, denen sich auch Mabel nicht entziehen kann.
Diese Tage schließe ich einen historischen Roman mit dem Titel „Das Flüstern der Wände“ ab, der im Frühjahr 2015 im Dryas-Verlag, Frankfurt, erscheinen wird. Ohne zu viel zu verraten: Dieser Roman ist eng mit der Cornwall-Krimi-Reihe verbunden und führt die Leser wieder nach Higher Barton – dieses Mal aber in der Vergangenheit. Jeder, der den neuen Band „Ein tödlicher Schatz“ gelesen hat, weiß am Ende, welche Geschichte dieser neue Roman aufgreift.
Danach schreibe ich dann den 3. Band der Reihe der Rottweil-Krimis, und weitere historische Projekte sind ebenfalls in Planung.
Auf Ihrer Webseite steht, dass Sie Turniertänzerin und Tanzsporttrainerin sind. Haben Sie Ihre Leidenschaft für das Schreiben und Tanzen schon miteinander verbunden?
Seit meiner Jugend habe ich zwei Dinge getan: geschrieben und getanzt. Fragte man mich im Alter von 14, 15 Jahren, welchen Beruf ich einmal ausüben möchte, dann lautete meine Antwort: „Tanzlehrerin oder Schriftstellerin“.
Nun, Schriftstellerin kann man als Ausbildungsberuf nicht erlernen, und Tanzlehrerin war aus diversen Umständen leider nicht möglich, außerdem war meine Mutter davon alles andere als begeistert. Sie meinte, ich möge doch etwas „Anständiges“ lernen. Also wurde ich Arzthelferin, wechselte aber bald nach der Ausbildung zu einer gesetzlichen Krankenkasse, bei der ich über 16 Jahre beschäftigt war, bis ich mich entschloss, meinen weiteren Weg als Autorin zu gehen.
Nach mehreren Jahren in diversen Tanzschulen begann ich mit 21 Jahren das Turniertanzen, in dieser Zeit veröffentlichte ich unregelmäßig Kurzgeschichten in verschiedenen Verlagen, bis 1996 dann mein erster richtiger Roman erschien, wie oben erwähnt. Tanzlehrerin wurde ich zwar nicht, dafür aber 1989 Tanzsporttrainerin, was ähnlich ist, nur, dass ich nicht in Tanzschulen, sondern in Tanzsportvereinen unterrichte, was ich seit 25 Jahren ununterbrochen mache.
Da man als Autorin ja den ganzen Tag am Schreibtisch sitzt, ist das Tanzen der perfekte sportliche Ausgleich für mich. Schreiben und Tanzen sind Ausdrucksformen, in denen natürlich die richtigen Grundlagen, im Schreiben das Handwerk und im Tanzen die Basics, vorhanden sein müssen, der Rest ist jedoch der eigenen künstlerischen Gestaltung und Freiheit vorbehalten.
Täglich bin ich dem Schicksal dankbar, dass mir ermöglicht wurde, heute mit meinen drei großen Leidenschaften (Schreiben, Tanzen und Reisen) meinen Lebensunterhalt bestreiten zu können.
Welche historische Figur aus Großbritannien würden Sie gerne treffen?
Hier bin ich meiner „ersten Liebe“ aus der Historie treugeblieben: König Henry VIII., und gern auch seine Tochter Königin Elisabeth I.
Bei König Henry müsste ich nur aufpassen, meinen Kopf zu behalten – im wahrsten Sinne des Wortes. Allerdings sehe ich in Henry nicht nur den brutalen, tyrannischen Herrscher, wie er oft dargestellt wird, sondern einen Mann, der aufgrund der Vorgeschichte des Hauses Tudor alles getan hat, um seine Krone und das Land zu erhalten, ohne ihn hier irgendwie beschönigen zu möchten. Er war aber ein Mann seiner Zeit, und diese war damals auch sehr brutal und rücksichtslos.
Königin Elisabeth I. ist für mich die größte britische Herrscherin, die für die damalige Zeit eine unglaubliche Weitsicht besessen hat, und ich bewundere ihre Diplomatie, von der heutige „Herrscher“ eine ganze Menge lernen könnten.
THE BRITISH SHOP dankt für Ihre Zeit und das Interview!
Ich bedanke mich herzlich für diese interessanten Fragen, die ich mit großer Freude beantwortet habe.
Hier finden Sie die Webseite der Autorin: www.rebecca-michele.de
Leserbriefe (4)
Ralf Benzkirch
am 30.05.2016Nane
am 30.05.2016The British Shop
am 30.05.2016Angela Bartsch
am 14.05.2024Sollte sie sich dazu entschließen, tatsächlich ein Buch über Mythen, Sagen und Legenden zu schreiben würde ich es sehr gerne lesen! Einmal, weil ich ihren Schreibstil mag und zum anderen, weil mich das Thema an sich interessiert.